Das Jahrzehnt, das zählt
Studie: Folgen des Ukrainekriegs für den Ausbau der Erneuerbaren und die größten Hindernisse auf dem Weg zum Netto-Null-Ziel
Laut der repräsentativen Studie der BayWa r.e. „The Decade that Matters 2.0“ ist der Handlungsdruck in der Klimakrise in Öffentlichkeit, Politik und Unternehmen zwar bekannt, trotzdem befürchten Entscheidungsträger eine Verzögerung des Netto-Null-Ziels (= netto null Treibhausgasemissionen). Die Studie erkundet mögliche Gründe dafür und fragt auch nach den Auswirkungen jüngster Krisen auf den Ausbau erneuerbarer Energien.
Das Wichtigste in Kürze:
- Die BayWa r.e. befragte 3.000 Führungskräfte aus Unternehmen und Politik in der EU, Großbritannien und den USA. Zudem wurde der öffentliche Diskurs mithilfe von Social Listening-Tools analysiert.
- In der öffentlichen Debatte ist immer weniger von „globaler Erwärmung“ und „Klimawandel“ und immer mehr von „Klimakrise“ die Rede, was die Dringlichkeit des Themas widerspiegelt.
- Jüngere Krisen des letzten Jahres haben die Entwicklung erneuerbarer Energien vorangetrieben: 96 % aller befragten Unternehmen planen mit dem Bezug erneuerbarer Energien und über die Hälfte (53 %) entwickelte die eigene Nachhaltigkeitsstrategie weiter.
- Dennoch rechnet fast die Hälfte der Unternehmensentscheider weltweit (47 %) mit einer Verzögerung des Netto-Null-Ziels um zwei bis drei Jahre aufgrund des Ukrainekriegs.
- In Deutschland halten Unternehmen Kosten (44 %) für das größte Hindernis auf dem Weg zum Ziel. Politische Entscheider geben hier eher technische Hürden und die Anpassungsgeschwindigkeit von Unternehmen und Öffentlichkeit (je 35 %) an.
„Schnell ist nicht mehr schnell genug“: Öffentliche Debatte spiegelt Handlungsdruck wider
Bereits 2021 veröffentlichte die BayWa r.e. die erste Studie, in der sie sich auf die Analyse der öffentlichen Debatte rund um die Klimakrise konzentrierte. Zwei Jahre später ist deren Stoßrichtung aktueller denn je, was an den Begriffen deutlich wird, die in der öffentlichen Debatte kursieren. Die Macher der Studie verfolgten mithilfe von Social Listening-Tools, wie sich die Gespräche zum Klima veränderten. Gegen Ende der 2010er Jahre verdrängte der Begriff „Klimawandel“ das Schlagwort „globale Erwärmung“ im Online-Diskurs. 2019 dominierte „Klimawandel“ die Gespräche online mit sechs Millionen Erwähnungen pro Monat. Seit 2020 ist allerdings das dringlichere „Klimakrise“ auf dem Vormarsch. Das bedeutet, der Öffentlichkeit ist bewusst, wie sehr sich die Lage und damit auch der Handlungsdruck verschärft.
Entscheidungsträger in der Politik optimistischer als in Unternehmen
Im Rahmen der Studie befragte Censuswide im Auftrag der BayWa r.e. 3.000 Führungskräfte aus Politik und Unternehmen in der EU, Großbritannien und den USA. Erstaunlich ist die Diskrepanz zwischen Unternehmen und Politik. Entscheidungsträger in der Politik sind optimistisch, was die vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien in ihrem jeweiligen Land angeht: Über die Hälfte aller Befragten weltweit (58 %) sind zuversichtlich, dass die Umstellung bis 2050 erreicht werden kann. Weit weniger, nur 11 %, sind der Meinung, dass das erst nach 2050 der Fall sein wird und nur 1 % hält es für unmöglich. Seitens der Wirtschaft zeigt sich ein pessimistischeres Meinungsbild. Hier hält nur ein Viertel der befragten Entscheidungsträger die vollständige Umstellung auf Erneuerbare bis 2050 für möglich. Gut 32 % glauben, dass es erst nach 2050 so weit ist und 8 % halten es für unmöglich.
Was sind die größten Hürden auf dem Weg zum Netto-Null-Ziel?
Auch in dieser Frage sind sich Politik und Unternehmen uneins. Das sind die weltweit am häufigsten genannten Gründe aus der Befragung:
Ukrainekrieg: Gleichzeitiger Ausbau erneuerbarer Energien und Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen
Der Krieg in der Ukraine hat die Klimakrise auf zweierlei Art befeuert. Einerseits hat er die Umstellung auf erneuerbare Energien beschleunigt, andererseits die kurzfristige Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen erhöht. Weltweit befürchten 47 % der Befragten aus Unternehmen weltweit eine Verzögerung des Netto-Null-Ziels um zwei bis drei Jahre aufgrund des Krieges.
Trotz wirtschaftlicher Unsicherheit: Jetzt ist die Zeit zu investieren
Der Studie zufolge ist es jetzt wichtiger, neue Gewohnheiten zu entwickeln, als alte zu brechen. Das zeigt sich auch daran, wie Regierungen und Unternehmen selbst in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit sich nicht mehr nur auf eine saubere Zukunft vorbereiten, sondern auch bereit sind, in diese zu investieren. Sie bemühen sich aktiv um die Umstellung auf erneuerbare Energiequellen und erkennen die Chancen, die sich daraus ergeben - im Einklang mit einer Öffentlichkeit, die von Debatten und Diskussionen zu direktem Handeln übergeht. Unternehmen, die als Reaktion auf wirtschaftliche Turbulenzen einfach den Geldhahn zudrehen, laufen Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten und sogar die öffentliche Zustimmung zu verlieren.