zurück zur Presseübersicht
Veröffentlicht am

Billig-Importe aus der Ukraine? BayWa dementiert Gerüchte: "Das ist falsch!"

Von Süddeutschland bis Osteuropa fürchten sich Landwirte vor billigen Getreideimporten aus der Ukraine. Gerüchte, dass auch die BayWa große Mengen Weizen aus der Ukraine nach Deutschland einführe, sind falsch. Antworten dazu von Jörg-Simon Immerz, Chief Trading Officer der BayWa AG, im Interview.

  • Porträt Jörg-Simon Immerz, dunkelhaariger Mann mitteleuropäischen Aussehens schaut frontal in die Kamera; er trägt einen dunklen Anzug und eine Krawatte in Bordeaux und mit Muster
    Jörg-Simon Immerz © BayWa AG, Abdruck honorarfrei

Herr Immerz, viele Landwirte in Osteuropa machen Getreideimporte aus der Ukraine in die EU für einen Preisverfall bei Agrarrohstoffen verantwortlich. Ähnliches hört man auch von deutschen Bauern. Was ist dran an der Geschichte?

Jörg-Simon Immerz: Wenn von Getreide gesprochen wird, ist meist Weizen gemeint. Bei Weizen und Gerste ist Deutschland Nettoexporteur. Unser Land exportiert davon mehr als es einführt. Das gilt in besonderem Maße auch für den Süden Deutschlands, wo viele unserer Kunden aktiv sind: Wir produzieren so viel, dass wir nicht nur uns selbst versorgen können, sondern auch andere Regionen. Diese Überschüsse an Weizen gehen vorwiegend nach Nordwest-Deutschland, in die Benelux-Länder, in die Schweiz oder nach Italien.

Bei Mais zum Beispiel ist es anders. Mais wird in Deutschland sehr viel mehr gebraucht als geerntet. Darum müssen wir Mais importieren, um den Bedarf zu decken. Im Nordwesten Deutschlands, beispielsweise in der Region Südoldenburg, findet viel Tierhaltung statt. Um den großen Bedarf an Futtergetreide zu decken, fließt der Mais, den Deutschland importiert, vor allem dorthin. Das ist schon seit Jahren so und seit Jahren schon spielt dabei die Ukraine als Herkunftsland eine wichtige Rolle.

Auf welchen Wegen kommt der Mais aus der Ukraine nach Deutschland?

Der Transport findet sowohl auf dem Landweg per Bahn und Lkw statt als auch über den Seeweg. Die Cefetra Group zum Beispiel, eine BayWa-Tochter, liefert in geringem Umfang ukrainischen Mais, der per Bahn nach Deutschland transportiert wurde, in die Veredelungsgebiete im Nordwesten, also nach Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.

Die BayWa unterhält auch Häfen an der Ostsee. Welche Rolle spielen diese?

Seit Kriegsausbruch in der Ukraine spielt auch der Umschlag an den Ostseehäfen eine Rolle: Ware aus der Ukraine kommt via Bahn oder Lkw nach Deutschland, Polen und Litauen, bleibt dort aber nicht, sondern wird auf dem Seeweg in andere Länder weiter exportiert. Unsere Kolleginnen und Kollegen der BayWa Agrarhandel in Ostdeutschland haben auf diesem Weg wenige tausend Tonnen Weizen aus der Ukraine exportiert.

Speziell in Süd- und Ostbayern, also dort, wo die BayWa besonders aktiv ist, kursiert das Gerücht, die BayWa kaufe viel ukrainische Ware auf, anstatt das Getreide der bayerischen Landwirte. Teilweise werden in sozialen Netzwerken Posts geteilt von Zügen, mit denen die BayWa angeblich Getreide aus der Ukraine nach Bayern transportiert.

Das ist falsch. Die BayWa importiert kein ukrainisches Getreide im großen Stil - weder per Lkw noch per Zug.

Woher kommen dann diese Gerüchte?

Schon vor dem Krieg gegen die Ukraine wurde Getreide aus Osteuropa nach Süddeutschland exportiert, vor allem aus Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Rumänien. Der Umfang an Ware, die zu uns kam, war zum Teil sogar größer als jetzt – je nachdem, wie gut die Ernten bei uns ausgefallen sind und wie das Preisgefüge aussah. Daran hat sich nichts geändert. Auch jetzt importieren wir mit Binnenschiffen über die Donau oder auf dem Landweg per Bahn und Lkw aus Osteuropa Getreide nach Süddeutschland. Ich vermute, dass diese Importe mit Importen aus der Ukraine verwechselt werden. Auf jeden Fall steht die BayWa hier zu Unrecht in der Kritik.

Aber die BayWa importiert nicht nur, sie erfasst auch Erntemengen in ihren Kernregionen. Wie sieht es da speziell in Süddeutschland aus?

In Süddeutschland kaufen wir jede Woche fünfstellige Tonnagen von den Landwirten – entweder eingelagerte Ware aus der vergangenen Ernte oder Terminkontrakte für die kommenden ein bis zwei Ernten. Der Handel läuft durchgehend zwölf Monate im Jahr. Die Menge an Getreide, mit der wir unsere Kunden in Süd- und Nordwesteuropa beliefern, ist größer als das, was wir importieren. Für unsere Kunden aus der Landwirtschaft bieten wir so täglich für alle relevanten Marktfrüchte attraktive Möglichkeiten, ihre Ware zu vermarkten.

Im Vergleich zu den Preisspitzen im Frühjahr 2022 sind die Preise für Agrarrohstoffe stark gesunken. Betroffen sind alle relevanten Marktfrüchte. Der Preisverfall spielt auch beim Protest der Landwirte eine Rolle. Dafür verantwortlich sei billiges ukrainisches Getreide. Wie bewerten Sie das?

Die Ukraine ist nur Teil eines globalen Marktes. Der entscheidende Faktor für die starken Preisrückgänge in den vergangenen Monaten sind die sehr guten Ernten, die es zuletzt vor allem in Russland gab. Mehr als 25 Prozent der Weizenexporte auf dem Weltmarkt entfallen auf Russland. Auch die EU ist mit 15 bis 20 Prozent Anteil ein starker Exporteur. Im Moment kämpfen Russland und die EU um die Märkte in Nordafrika und im mittleren Osten, um die Nachfrage dort zu bedienen. Zwischen den Preisen, die an den russischen Exporthäfen im Schwarzen Meer gelten, und den Preisen an den Exporthäfen hier in Europa besteht also ein direkter Zusammenhang. Und solange genügend Getreide global verfügbar ist, bleibt der derzeitige Preisdruck bestehen.

Wenn, wie jetzt, genügend Getreide global verfügbar ist – ist das Bild einer drohenden Nahrungsmittelknappheit noch real?

Ja. Unabhängig von dieser Momentaufnahme bleibt es mittel- bis langfristig herausfordernd, die steigende Nachfrage einer wachsenden Weltbevölkerung zu bedienen. Dafür bräuchten wir eigentlich jedes Jahr in den Hauptanbaugebieten der Erde eine Rekordernte. Dagegen spricht aber, dass wir eine Zunahme von Extremwetterereignissen und damit ein höheres Risiko von Ernteausfällen haben und – zumindest in der EU – politische Bestrebungen, Landwirtschaft zukünftig extensiver zu betreiben, was zu geringeren Erntemengen führt. Die ausreichende Versorgung der Welt mit Grundnahrungsmitteln bleibt damit eine Aufgabe, der wir uns jedes Jahr aufs Neue stellen müssen.