Zu viel Bürokratie: Vier von fünf Landwirte beklagen Verwaltungslast
- In einer Umfrage der BayWa AG beklagen deutsche Landwirte die zunehmende Bürokratie als größten Belastungsfaktor in ihrem Arbeitsalltag.
- Über die Hälfte der rund 560 Befragten Landwirte wünschen sich zudem mehr Sichtbarkeit für das Thema psychische Gesundheit in der Landwirtschaft.
- 66 Prozent der Befragten berichten aber auch, dass sie ihre Arbeit mit Freude ausführen.
Die Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland leiden unter einer komplexen Bürokratie und immer neuen Auflagen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die die BayWa AG in 2024 gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut agri experts zum Thema „Seelische Gesundheit in der Landwirtschaft“ durchgeführt hat. Über 560 Landwirtinnen und Landwirte beteiligten sich bundesweit an der Online-Umfrage.
Zu viele Formulare, zu wenig Ruhe
Mehr als zwei Drittel (76 %) der befragten Landwirtinnen und Landwirte berichteten im Rahmen der Umfrage von einer zunehmenden Arbeitsbelastung in den vorangegangenen zwei Jahren. 81 Prozent davon gaben die komplexen bürokratischen Anforderungen und weiter zunehmenden Auflagen als größte Belastungsfaktoren in ihrem Arbeitsalltag an. Auch der vorherrschende Zeitdruck (57 %) und die „Darstellung des Berufs in den Medien“ (56 %) wurden als psychisch belastende Faktoren genannt.
Den durch diese Belastungsfaktoren entstandenen Stress oder Leistungsdruck versuchen mehr als ein Drittel der Befragten (39 %) durch „Schlafen“ auszugleichen, gefolgt von Aktivitäten wie „Fernsehen“ (36 %) oder „Treffen mit Freunden oder Familie“ (33 %). Das reicht jedoch nicht immer aus. Über die Hälfte der Landwirtinnen und Landwirte (54 %) gibt an, dass sie sich in ihrer freien Zeit nicht richtig erholen können, was die ohnehin hohe Belastung noch verstärkt.
Trotz dieser Herausforderungen gibt es aber auch positive Nachrichten: 66 Prozent der Befragten berichten, dass sie ihre Arbeit mit Freude ausführen und überwiegend stolz auf ihre Arbeit sind (57 %). Dies ist ein Zeichen dafür, dass die Leidenschaft für die Landwirtschaft auch unter schwierigen Bedingungen erhalten bleibt.
Experten bestätigen: Oft besteht der Leidensdruck schon seit vielen Jahren
Mehr als die Hälfte der befragten Landwirtinnen und Landwirte (53 %) nennt ihren Partner oder ihre Partnerin als ersten Ansprechpartner, wenn es um die psychischen Belastungen im Arbeitsalltag geht. Danach folgen der Hausarzt oder die Hausärztin (16 %) sowie Freunde und Bekannte (10 %). Über 50 Prozent der Landwirtinnen und Landwirte sagen, dass ein Hilfsangebot „persönlich“ (53 %) und/oder „zeitlich flexibel“ sein muss. Für mehr als ein Drittel (37 %) der Befragten ist auch eine schnelle Erreichbarkeit wichtig. Anonymität (32 %) spielt für einige eine große Rolle. Der Wunsch nach mehr Sichtbarkeit des Themas psychische Gesundheit in der Landwirtschaft ist bei den Befragten deutlich vorhanden: 52 % stimmen dem zu.
„Diese Zahlen bestätigen unsere Erfahrungen“, sagt Heidi Perzl von der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, kurz SVLFG. Perzl betreut dort unter anderem die Gesundheitsangebote und die Krisenhotline. „Vor allem die telefonische Beratung ist für Landwirte attraktiv. Sie müssen in einer Krise nicht aus den Arbeitsklamotten steigen, sie werden in keinem Wartezimmer gesehen, sie bleiben anonym.“
Ähnlich wie Landwirtinnen und Landwirte wünscht sich Heidi Perzl mehr Aufmerksamkeit für die Nöte der Menschen in der Branche. „Die Schwierigkeiten sind oft groß im landwirtschaftlichen Bereich. Zunehmende Bürokratie, problematische Betriebsübergaben oder die häusliche Pflege von Angehörigen erzeugen erheblichen Druck auf den Höfen. Die Menschen, die sich bei unserer Krisenhotline melden – es sind vor allem Männer – sind extrem belastet. Viele befinden sich schon mindestens seit fünf Jahren in einer schwierigen Lage. Diese Menschen wollen wir früher erreichen. Nicht erst, wenn es brennt.“
Hilfsangebote für Landwirtinnen und Landwirte
Die BayWa möchte den Blick auf bereits bestehende Hilfsangebote für die Branche richten:
Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) unterhält unter der kostenfreien Nummer 0561 785 – 10101 eine Krisenhotline, die rund um die Uhr für Landwirte erreichbar ist. Darüber hinaus bietet die SVLFG unter dem Motto „Mit uns im Gleichgewicht“ umfangreiche Präventionsprogramme. Mehr unter svlfg.de/gleichgewicht
Die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Familie und Betrieb ist der Zusammenschluss der landwirtschaftlichen Familienberatungen und Sorgentelefone. Auf der Website der BAG finden Betroffene Ansprechpartner und Hilfsangebote in ganz Deutschland: landwirtschaftliche-familienberatung.de/einrichtungen/ihre-region/index.html
Auch das Montagstelefon der BBV Stiftung Land und Leben ist auf der Website der BAG aufgeführt. Immer am ersten Arbeitstag der Woche stehen qualifizierte Bäuerinnen und Bauern ihren Berufskollegen unter 0800 – 131 131 0 als Gesprächspartner zur Verfügung. Mehr auf bayerischerbauernverband.de/montagstelefon
Weitere Informationen zu den Ergebnissen der Umfrage sowie zu den Hilfsangeboten für Landwirte finden Sie hier.
Hinweise zur Datenbasis:
Die hier genannten Daten basieren auf einer Online-Umfrage, die im Auftrag der BayWa AG vom Marktforschungsinstitut Agri-Experts unter Landwirten durchgeführt wurde. Im Erhebungszeitraum vom 04. Mai bis 28. Mai 2024 nahmen insgesamt 567 Landwirtinnen und Landwirte aus Deutschland an der Umfrage teil. Die Mehrheit der Befragten kommt aus Bayern (31%), gefolgt von den Regionen Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein (24%) sowie Baden-Württemberg (13%). Das Durchschnittsalter der Befragten liegt bei 47 Jahren und sie bewirtschaften im Schnitt 80 Hektar. Mit 87 % sind die Betriebe der Befragten größtenteils konventionell ausgerichtet. Der Tätigkeitsschwerpunkt liegt überwiegend im Ackerbau (78%), gefolgt von Futterbau (52%) und Sonderkulturen (9%).
Über die Hälfte der Teilnehmenden sind Inhaber bzw. Mitinhaber ihres Betriebes (63 %), gefolgt von Hofnachfolger (13 %), mitarbeitende Familienangehörige (8 %) sowie Geschäftsführer/Vorstandsvorsitzende (6 %).
